Wie die Immobilienexperten der Zukunft den Schritt von der Theorie zur Praxis wagen

Prof. Dr. Sven Bienert
Während sich die Immobilienunternehmen intensiv damit auseinandersetzen, wie sie junge Absolventen für sich gewinnen können, ist für die deutschen Universitäten die umgekehrte Fragestellung wichtig: Wie bereiten sie ihre Studierenden auf die berufliche Praxis in der Immobilienwirtschaft vor? Professor Dr. Sven Bienert, MRICS REV lehrt und forscht am Institut für Immobilienwirtschaft der IRE|BS. Im gemeinsamen Interview geht er genau dieser Frage nach.
Die Immobilienbranche wird immer schnelllebiger. Wie oft müssen demzufolge auch die Lehrpläne angepasst werden?
In der Tat wandelt sich die Branche schnell, und die Notwendigkeit, Kompetenzen im Bereich der Zukunftsthemen vorzuhalten, wird für die jungen Berufseinsteiger immer wichtiger. Wir passen unsere Lehrpläne dahingehend laufend an. Zum Thema Digitalisierung sind wir Kooperationen mit führenden IT-Unternehmen wie Yardi, Argus oder ControlIT eingegangen. Studierende erlernen die branchenrelevanten Programme und Tools aber nicht nur in Vorlesungen, sondern auch im Rahmen von Praxisprojekten oder Gruppenarbeiten. Einmal im Jahr bieten wir eine Exkursion ins Silicon Valley an, damit sich die Studierenden mit den neuesten Entwicklungen im Bereich der PropTechs vor Ort auseinandersetzen können. Generell geht es nicht um stupides Auswendiglernen, sondern darum, die Anwendungs- und Lösungskompetenz zu schärfen. Auch im Bereich Internationalisierung gehen wir eigene Wege und setzten Trends in der deutschen Immobilien-Bildungslandschaft. Wir haben früh angefangen, sogenannte Double-Degrees mit den jeweils führenden Immobilien-Universitäten auf jedem Kontinent anzubieten. Wer bei uns einen Masterabschluss macht, kann in nur vier Semestern sowohl den Abschluss in Regensburg als auch an der jeweiligen Partnerhochschule im Ausland ablegen.
Wie ist das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis an der IRE|BS? Mit welchen Mitteln werden die Studierenden auf den späteren Arbeitsalltag vorbereitet?
Wir haben im Gegensatz zu praktisch allen anderen staatlichen Hochschulen ein sehr ausgeprägtes Stifter- und Sponsorenwesen mit den führenden europäischen Immobilienunternehmen. Alle eingeworbenen Mittel fließen direkt in die Studienprogramme und kommen ausschließlich den Studierenden zu Gute. Wir können Gastvortragende aus dem Ausland einbinden, besondere Exkursionen finanzieren oder unseren Studierenden mit Auslandsstipendien unter die Arme greifen. Für unsere Unternehmenspartner bieten wir einmal im Jahr eine Personalmesse an. Eine Win-win-Situation: Unsere Studierenden absolvieren Praktika und haben in der Regel nach dem Studienabschluss mehrere interessante Jobangebote zur Auswahl. Wir binden Marktteilnehmer aber auch als Gastvortragende, bei Exkursionen oder im Rahmen von Fallstudien oder Praxisprojekten ein. Wir wollen und brauchen diesen Praxisbezug, um unsere Studierenden top für den Berufsstart vorzubereiten – Immobilienspezialist wird man nicht im Elfenbeinturm.
Gibt es auch Programme oder Kurse, in denen gezielt die Soft-Skills der Studierenden geschult werden?
Auch dieses Themenfeld wird immer wichtiger und von uns intensiv bedient, beispielsweise in Form von Gruppenarbeiten und Fallstudien. Die Studierenden müssen oft ihre Ergebnisse vortragen. Wie man sich präsentiert, seine Ergebnisse „verkauft“ und wie man sich im Team einbringt, ist dabei für uns wichtig. Wir unterstützten auch Bewerbungstrainings und bieten Kurse für fachspezifisches Englisch an. Zudem haben wir eine starke Studenteninitiative – IRE|BS-Core – die viele teambildende Aktivitäten unterstützt. Bei alldem muss man aber auch die Kirche im Dorf lassen: Es gibt einen vollen Studienplan, die Studierenden müssen die Inhalte auch zu Hause intensiv nacharbeiten. Sie sollten Praktika machen und ins Ausland gehen. Das alles in vier Semestern Masterstudium. Es muss für die jungen Menschen ja auch noch Zeit bleiben, das Regensburger Nachtleben zu genießen.
Was spricht für duale Studiengänge im Bereich Immobilienökonomie, was spricht dagegen?
Es spricht nichts dagegen. Die Frage, ob man das duale System direkt – wie bei der klassischen Lehrausbildung – durchlaufen will, oder ob man bei unterschiedlichen Unternehmen Praktika macht und ein reguläres Universitätsstudium absolviert, muss aber jeder für sich selbst beantworten. Ich persönlich würde viele Praktika bei unterschiedlichen Marktteilnehmern vorziehen. Wer weiß schon mit Anfang zwanzig, ob er später in den Bereich Asset-Management, Development oder Transaction gehen möchte. Fest steht: Wer bis Ende zwanzig nur studiert hat, ohne bereits in der Praxis Erfahrungen gesammelt zu haben, der wird bei Einstellungen aus Sicht der Unternehmen nicht den Top-Score erhalten.
Was würden Sie sich von den etablierten Unternehmen der Immobilienwirtschaft im Bereich Nachwuchsförderung wünschen? Wo sehen Sie aktuell Probleme?
Ich sehe da im Moment ehrlich gesagt wenig Defizite. In unserer Branche herrscht seit Jahren eher ein Mangel an Personal. Alle HR-Abteilungen der großen Player haben sich auf diese Situation eingestellt und werben aktiv und mit verschiedenen Mitteln um die Studierenden. Flexible Arbeitszeiten, gute Gehälter, Sabbaticals, Traineeprogramme, Auslandseinsätze, Homeoffice – all das gibt es doch schon. Auch stehen uns als IRE|BS stets die Türen offen, wenn wir Praxispartner suchen oder andere Instrumente vorschlagen, wie wir mit den Unternehmen zusammenarbeiten möchten.
Bei Ihnen beginnen aktuell die ersten Vertreter der Generation Z ihr Studium. Spüren Sie diesen Generationenwandel?
Da ich nicht nur den Einblick in Regensburg, sondern auch an vielen anderen Hochschulen habe, darf ich das etwas genereller beantworten. Ich glaube, die jungen Menschen suchen eine spannende Herausforderung. Das Eckbüro und der große Firmenwagen oder ein „fettes“ Gehalt treten als Motivator dabei zunehmend in den Hintergrund. Wichtiger ist es, Erfahrungen zu sammeln, genügend Zeit für andere private Interessen zu haben und sich international austauschen zu können. Aber die nunmehr fast zehn goldenen Jahre in unserer Branche haben auch eine Kehrseite: Kein Berufsanfänger sollte es als selbstverständlich ansehen, vier oder fünf Jobangebote zur Auswahl zu bekommen. Die Zeiten können sich auch schnell wieder ändern. Subsektoren, die krisensicherer erscheinen, und Arbeitgeber, die nie durch Hire-and-fire-Personalpolitik aufgefallen sind, sollten nun die Wahl sein. Und wichtiger noch: Auch in Zukunft wird der eigene Leistungswille der Berufsanfänger über den persönlichen Erfolg entscheiden. Es gab noch keinen Abschwung, bei dem Arbeitnehmer, die um 16 Uhr den Stift fallen lassen, obwohl das eigene Projekt brennt, mit durchgeschleift wurden. Und das wird auch in der nächsten Runde nicht so sein.
Zur Person: Prof. Dr. Sven Bienert MRICS REV leitet das Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft am IRE|BS Institut der Universität Regensburg.