„Spezialimmobilien verlangen nach spezialisierten Investoren“

Jens Nagel
Interview mit Jens Nagel, Geschäftsführer Hemsö Deutschland
Wie wird sich der Pflegeimmobilienmarkt angesichts der Corona-Krise entwickeln? Jens Nagel, Geschäftsführer der Deutschlandtochter des schwedischen Sozialimmobilieninvestors Hemsö Fastighets AB, gibt im Interview eine differenzierte Antwort – einerseits sieht er trotz einer gegenwärtigen Abkühlung des Marktes langfristig Wachstumspotenziale. Andererseits nehmen aber die Herausforderungen zu.
Herr Nagel, zum Teil scheint es, als seien die Immobilienmärkte durch die Covid-19-Pandemie in eine Starre verfallen. Wie sieht es im Pflegeimmobiliensegment aus?
Von einer Starre merken wir nichts. Allerdings haben sich die Investitionsvoraussetzungen im Vergleich zum Jahresanfang klar verändert: Aktuell bekommen wir viele Projekte angeboten, und das meist zu niedrigeren Preisen als in den vergangenen Jahren. Offensichtlich sind viele Investoren und Projektentwickler gerade darauf konzentriert, ihre Risiken möglichst schnell zu minimieren. Da manche Ankaufsfaktoren in den zurückliegenden zwei, drei Jahren eindeutig aus der Spekulation geboren waren, führt die gegenwärtige Lage dazu, dass Preiserwartungen korrigiert werden müssen. Für uns ist die Lage also im Moment eher günstiger als zuvor, weil wir langfristig orientiert sind. Die zurückliegende Preisrallye sind wir an einigen Stellen nicht mehr mitgegangen.
Sie sagen selbst, dass der Markt in den vergangenen Jahren immer enger wurde. Oft war zu lesen, dass Pflegeimmobilien wegen der hohen Nachfrage gewissermaßen ein Selbstläufer seien. Aber erfordern Betreiberimmobilien nicht eigentlich genaue Kenntnisse?
Ja, definitiv. Bei Pflegeheimen und anderen sozialen Einrichtungen gilt ganz klar: Spezialimmobilien erfordern spezialisierte Projektentwickler, Investoren und Assetmanager. Im Grunde kommt die Erzählung vom Pflegemarkt als „sicherem Hafen“ ja alle Jahre wieder. Eigentlich gilt das aber immer nur für eine gewisse Zeit. Denn politische Entscheidungen können die Rahmenbedingungen grundsätzlich verändern. Man kann sich nie sicher sein, dass die Einstiegsbedingungen auch nach fünf oder zehn Jahren noch unverändert gelten. Die Rendite steht und fällt mit der konkreten Refinanzierung – und deren wirtschaftliche Basis kann ich ohne genaue Kenntnisse der Assetklasse nicht kalkulieren. Man muss also sagen: Wer die spezifischen Tücken von Pflegeimmobilien nicht kennt, wird langfristig weniger Erfolg haben.
In den meisten Prognosen wird immer die steigende Nachfrage aufgrund des demografischen Wandels herausgestellt und daraus eine stetig wachsende Nachfrage abgeleitet.
Klar, wenn die Menschen immer älter werden, sind auch immer mehr Menschen pflegebedürftig. Aber dieser Zusammenhang führt nicht zwangsläufig zu einem Automatismus bei der Pflegeheimnachfrage – da machen es sich viele zu einfach. Was wird denn von wem konkret nachgefragt? Die Quote der Bewohner von Pflegeheimen an der Gesamtbevölkerung beispielsweise unterscheidet sich in den europäischen Ländern sehr stark: In Italien oder Spanien ist der Anteil hoch, in Griechenland eher gering. Und auch die Deutschen möchten in der Breite möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Das wirkt sich natürlich auch darauf aus, wie selbstständig der durchschnittliche Bewohner einer Seniorenwohnanlage im jeweiligen Land dann ist und welche Leistungen er vor Ort in Anspruch nimmt. All das sollte man als Investor berücksichtigen und einpreisen.
Das klingt so, als wäre es nicht gesetzt, dass der Markt tatsächlich weiterwächst.
Doch, davon ist trotz allem auszugehen, weil die Alterung der Gesellschaft einen starken Sog entwickelt. Man muss aber über den Tellerrand blicken und sich überlegen, was die Gesellschaft langfristig nachfragt. Es gibt ja auch andere Megatrends, die in diesem Bereich wirken, etwa die Urbanisierung. Da gibt es aber schon Studien, die zeigen: Dort, wo sie wirklich benötigt werden, entstehen kaum neue Einrichtungen, vor allem, weil Bauland zu teuer ist. Gleichzeitig sind Betreiber in Deutschland ja von den Pflegesätzen der gesetzlichen Sozialversicherungsträger abhängig, was die Mietsteigerungspotenziale einschränkt. Meine persönliche Prognose ist daher, dass der Markt zwar wachsen wird. Aber er wird nicht aus der Nische herauskommen – und birgt Risiken für rein opportunistische Investoren.
Zur Person: Jens Nagel ist Geschäftsführer der Hemsö Deutschland GmbH