Investment versus Büroflächenmarkt: Absurdität oder neue Wirklichkeit?

Markus Reinert FRICS

Wir erleben aktuell eine sehr ungewöhnliche, wenn nicht gar paradoxe Situation auf den deutschen Gewerbeimmobilienmärkten: Während sich die Nutzer skeptisch zeigen, Flächen reduzieren und teilweise bereits günstigere Konditionen für Mietvertragsverlängerungen verhandeln, herrscht unter Investoren im weitesten weiterhin rege Betriebsamkeit.

Diese gegenläufige Situation unterstreichen auch die aktuellen Quartalszahlen per Ende September 2020. Für die ersten drei Quartale 2020 ergibt sich ein Rückgang der Büroflächenumsätze durch Neuvermietungen um ca. 40 Prozent in den TOP 7 Immobilienmärkten. Das Transaktionsvolumen für Gewerbeimmobilien in Deutschland hingegen liegt im selben Zeitraum mit ca. 41 Milliarden Euro nur unmerklich hinter dem Wert des Vorjahreszeitraums. Büroimmobilien sind nach wie vor die bei Weitem wichtigste Assetklasse in den Immobilienmärkten.

Mehr als nur eine Schwächephase im Bürovermietungsmarkt?
Wie geht die Branche mit dieser Situation um? Aktuell herrscht zumindest in den vielfältigen Fachdebatten eine Art selbstverordneter Optimismus. Ob es sich bei den Ergebnissen für die Vermietungsmärkte aber tatsächlich nur um ein vorübergehendes Stimmungstief handelt, steht zu bezweifeln. Einerseits zeigt sich aktuell eine Stabilisierung respektive marginale Steigerung der Infektionszahlen und damit verbunden für viele Firmen eine erneute Phase des Mobilen Arbeitens. Viele Folgen der Corona-Rezession werden sich erst in den Jahren 2021 und 2022 zeigen (Insolvenzen, Erhöhung der Arbeitslosenquote u. a.). Hinzu kommt, dass mit der stetigen und rasanten Veränderung der Arbeitswelten womöglich Flächenreduzierungen einhergehen, was sich zum Beispiel in der aktuellen Situation an der steigenden Zahl von Untervermietungen abzeichnet. Das bedeutet zwar nicht, dass genereller Grund zur Schwarzmalerei bestünde – aber die Zukunft ist undurchsichtiger denn je, und dadurch fällt es sehr schwer, belastbare Prognosen zu treffen.

Wenn die Flächennachfrage – und damit die potenzielle Stabilität des Cashflows eines jeden Investments – für die kommenden Jahre nur schwer vorhersehbar ist, warum sind die Investitionstätigkeit dann weiterhin auf hohem Niveau? Um dies zu beantworten, ist eine differenzierte Betrachtung der generellen wirtschaftlichen Ausgangsbasis nötig. Denn obwohl die aktuelle Krise die Immobilienmärkte hierzulande stärker trifft als beispielsweise die letzte Wirtschaftskrise ab 2008, bewahrheitet sich meine These aus unserem vergangenen Newsletter von Juli 2020: Die deutsche Wirtschaft als Ganzes und auch der Gewerbeimmobilienmarkt im Speziellen stehen im internationalen Vergleich sehr robust da. Und auch die Qualität der deutschen Immobilien gehört zu den höchsten der Welt.

Investmentmarkt: Abkehr von der Routine?
Wie werden die Marktakteure ihre Investmentstrategien im Hinblick auf die Diversifizierung der Allokationen für die verschiedenen Assetklassen anpassen und überdenken? Auch hierüber wird täglich in Fachdebatten diskutiert und philosophiert.

Natürlich hören und lesen wir jeden Tag über die „Krisengewinner“ und gelobten Assetklassen wie Wohnen, Logistik, Pflegeheime, Gesundheitsimmobilien und Einzelhandel mit dem Schwerpunkt auf Nahversorgung und Fachmarktzentren.

Ich persönlich kann nur empfehlen, dass es mehr als ratsam ist, die größte und wichtigste Assetklasse Büroimmobilien nicht aus dem Fokus zu verlieren, sondern sich stattdessen in vielfältiger Form mit den weiterhin guten vorhandenen Potenzialen auseinanderzusetzen.

Zur Person: Markus Reinert FRICS ist Vorsitzender der Geschäftsführung & CEO der IC Immobilien Holding GmbH.