Deutschland wandelt sich zu einem der internationalsten Immobilienmärkte

Timothy Horrocks
Seit über 20 Jahren verantwortet Timothy Horrocks die kontinentaleuropäischen Immobilieninvestments von Nuveen Real Estate. Mit seiner einzigartigen Vor-Ort-Erfahrung erläutert er, welche Chancen und Herausforderungen die deutschen Immobilienmärkte im europaweiten Vergleich zurzeit bieten.
Was sind die aktuellen Vor- und Nachteile des deutschen Gewerbeimmobilienmarkts im Vergleich zu anderen Standorten in Kontinentaleuropa?
Im aktuellen Umfeld sieht sich der deutsche Immobilienmarkt in vielerlei Hinsicht mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert wie seine europäischen Pendants. In einigen Sektoren erwarten wir jedoch, dass spezifisch deutsche Markteigenschaften bei einer schnelleren Erholung helfen werden. Auf dem Büromarkt bieten das geringe Angebot sowie niedrige Leerstände ein gewisses Maß an Stabilität. Außerdem gibt es eine große Anzahl privatwirtschaftlicher Unternehmen, bei denen Informationsfluss und Beziehungsaufbau entscheidend sind. Eine Rückkehr ins Büro ist für die meisten also wahrscheinlich. Natürlich gehen wir davon aus, dass Büros anders genutzt werden und eine geringere Nutzungsintensität zu erwarten ist, aber insgesamt dürften die Märkte robust bleiben.
Was die Logistik betrifft, so gilt Deutschland als das Zentrum Europas. Der Markt ist sehr aktiv geblieben, zumal sichere Warenströme aktuell noch wichtiger sind. Die hohe Flächennachfrage, gepaart mit einer restriktiven Planung für die Entwicklung von Gewerbeflächen, führt ebenfalls zu einem Mietwachstum.
Auch der stationäre Einzelhandel funktioniert in Deutschland besser als in den meisten anderen europäischen Ländern. Obwohl ein teilweise pandemiebedingter Anstieg des Online-Shoppings zu verzeichnen ist, neigen die deutschen Verbraucher dazu, ihre Gewohnheiten eher schrittweise zu ändern. Wir erwarten daher keinen großen Umschwung bei der Nachfrage.
Auf der anderen Seite existiert ein harter Preiskampf in allen Sektoren, der den Marktzugang in Deutschland erschweren kann. Historisch gesehen waren die inländischen Kapitalflüsse vor allem im Core-Segment seit jeher stark. Versicherer und Pensionskassen haben ihre Immobilienquote in den vergangenen Jahren erhöht. In den zurückliegenden zehn Jahren hat sich gleichzeitig internationales Kapital, das zuvor in Richtung Value Add orientiert war, stärker in die Core- und Core-Plus-Märkte bewegt. Auch das hat dazu beigetragen, dass die Preise in allen Sektoren gestiegen sind.
Wie werden sich die deutschen Märkte in den nächsten 24 Monaten entwickeln? Welche Aspekte prägen die Investment- und Vermietungsmärkte?
Das Wirtschaftswachstum ist der Schlüssel zum Erfolg des deutschen Immobilienmarkts in den nächsten 24 Monaten. Entscheidend sind aber auch die Aussichten für den Welthandel, schließlich ist Deutschland eine Exportnation. Politisch gesehen muss möglicherweise ausreichend Bauland für Logistikimmobilien ausgewiesen werden, aber auch mit Blick auf die Wohnungsnot im gesamten Land muss – insbesondere im bezahlbaren Segment – mehr getan werden.
Ein Regierungswechsel könnte ebenfalls entscheidend sein, da Deutschland mehr Reformen braucht. Es ist wahrscheinlich, dass sich eine konservative oder grüne Regierung als sehr wirtschaftsfreundlich erweisen könnte und auch grüne Investitionen fördert. Diese werden dringend benötigt, wenn die Immobilienbranche auf eine klimaneutrale Zukunft hinarbeiten will.
Wie transparent sind die deutschen Immobilienmärkte? Wo gibt es im internationalen Vergleich noch Verbesserungspotenzial?
Historisch gesehen ist der deutsche Immobilienmarkt nicht besonders transparent, insbesondere im Vergleich zu Ländern wie den USA, Großbritannien und Australien. Die Vermietungsmärkte sind im Büro- und Wohnbereich verhältnismäßig recht transparent, im Einzelhandel und in der Logistik weniger. Natürlich kann man, wenn man in einem bestimmten Markt etabliert ist, in der Regel alle nötigen Informationen sammeln. Sie werden aber nicht veröffentlicht oder für jeden zugänglich gemacht. Allerdings hat der Aufstieg größerer globaler Maklerfirmen zu mehr Transparenz beigetragen.
Wie international sind die Strukturen und Unternehmenskulturen der deutschen Asset- und Property Manager?
Ich denke, Deutschland wandelt sich zu einem der internationalsten Märkte, aber vielleicht nicht so sehr wie Skandinavien und die Niederlande. Viele Menschen in Deutschland haben im Ausland studiert und sprechen meist sehr gut Englisch und andere Sprachen. Die internationalen Firmen, die in Deutschland Niederlassungen haben, sind tendenziell weniger konservativ als die inländischen.
Trotzdem sind alle in den vergangenen zwanzig Jahren sehr viel internationaler geworden. Die Einführung des Euro hat das grenzüberschreitende Investieren in Europa erleichtert, und die deutschen offenen Fonds waren Pioniere bei Investitionen in der Eurozone und dem Vereinigten Königreich.
Welche ESG-Kriterien sind für Sie als Investor bei Ihren Objekten wichtig?
ESG ist ein Kernelement unserer Investitionsprozesse, und das schon seit über einem Jahrzehnt. Wir legen einen besonderen Schwerpunkt auf die Reduzierung von Energie-Emissionen und arbeiten daran, dies weltweit in unseren Immobilieninvestitionen zu erreichen. Stärker als je zuvor sind heutzutage auch unsere Kunden bestrebt, ESG-Kriterien in ihre Investitionen zu integrieren, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Dadurch können wir gemeinsam daran arbeiten.
Wenn man sich Deutschland anschaut, ist es ein ziemlich „grünes“ Land mit den Grünen als prominenter Partei, sodass die Investoren hierzulande tendenziell mit diesen Themen im Einklang sind.
Welche anderen Akquisitionskriterien werden für Nuveen in Deutschland in den nächsten 24 Monaten wichtig sein?
Was die Akquisitionskriterien angeht, so hängt vieles davon ab, was unsere Kunden wollen. Wir werden weiterhin in Logistikimmobilien investieren, bei denen wir über ein starkes Franchise und eine gute Erfolgsbilanz verfügen. Außerdem werden wir in den nächsten Jahren weiter daran arbeiten, unsere Kapazitäten im Wohnsegment auszubauen. Wir werden auch verstärkt in alternative Anlagen investieren, nachdem wir bereits die Finanzierung für die Entwicklung eines Rechenzentrums in Deutschland bereitgestellt haben. Bei all unseren Anlagen werden ESG-Aspekte zunehmend an Bedeutung gewinnen. Das gilt besonders für die soziale Komponente, die wir stärker berücksichtigen, wobei wir auf unserer starken Erfolgsbilanz in Amerika aufbauen.
Spielen die restriktiveren Finanzierungsbedingungen für Sie eine Rolle?
Da wir vor allem auf Core und Core-Plus ausgerichtet sind, tendieren wir zu einem relativ geringen Hebel, sodass es bei unseren Akquisitionen keine wesentliche Rolle spielt. Unsere langjährigen Beziehungen und unser guter Track-Record helfen uns, Fremdfinanzierungen zu erhalten.
Was erwarten Sie von Ihren deutschen Asset- und Property Managern in Bezug auf das Mietermanagement?
Immobilien sind im Kern ein lokales Geschäft, daher arbeiten wir mit unseren Nutzern zusammen und bauen starke Beziehungen auf, um ihnen zu helfen, ihre Ziele in einer sich schnell verändernden Welt zu erreichen. In den vergangenen Jahren hat sich die Rolle des Property Managers zugunsten einer stärkeren Zusammenarbeit weiterentwickeln. Wir gehen davon aus, dass dies in Zukunft noch weiter zunimmt. Um die besten Nutzer anzuziehen und zu halten, muss man vorausschauend und proaktiv sein und die Assets und Beziehungen entsprechend managen.
Zur Person: Timothy Horrocks ist Head of Real Estate, Continental Europe der Nuveen Real Estate.