Das Büro der Zukunft bleibt Mittelpunkt der Arbeit

Sebastian Zehrer
Gespräch mit Sebastian Zehrer, Head of Research, Wealthcap
Herr Zehrer, nach dem vergleichsweise unbeschwerten Sommer hat uns die Pandemie nun wieder fester im Griff. Müssen sich die meisten Bürobeschäftigten noch sehr viel länger als gedacht an das Homeoffice gewöhnen?
Das weiß niemand, aber wir müssen wohl damit rechnen. Für sehr viele Büronutzer war das Homeoffice mit dem Shutdown ab März keine völlig neue Erfahrung. Lediglich der Umfang war neu. Deshalb hat das ja in den meisten Fällen technisch und organisatorisch so gut geklappt. Auch nach der Pandemie, davon sind wir überzeugt, wird das Thema Home- beziehungsweise Flexible-Office eine wichtigere Rolle spielen als davor. Den Trend in diese Richtung gab es zwar schon viel früher, Corona aber hat ihn beschleunigt.
Deshalb fragt sich jetzt die gesamte Immobilienbranche, ob nicht in Zukunft deutlich weniger Bürofläche benötigt wird. Oder überspitzt formuliert: Wozu brauchen wir überhaupt noch Büros?
Als Ort der Begegnung und des kreativen Austauschs. Und für viele auch als Ort des konzentrierten Arbeitens, denn vergessen wir nicht: Nicht jeder hat ein ruhiges Arbeitszimmer in seiner Wohnung. Nein, das Büro wird seine Berechtigung keineswegs verlieren, es bleibt meines Erachtens der Mittelpunkt der Arbeit. Aber seine Funktion wird sich teilweise verändern. Mehr Homeoffice bedeutet nicht automatisch weniger Büros, aber die Anforderungen an eine moderne Bürofläche verändern sich. In sehr vielen Fällen wird Homeoffice unseres Erachtens eher eine Ergänzung sein denn ein Substitut.
Sie meinen, durch Corona ändern sich die Anforderungen an Büroraum? Können Sie das näher beschreiben?
Wir haben uns schon lange vor Corona die Frage gestellt: Wie muss eine Immobilie beschaffen sein, damit sie auch in vielen Jahren ihre Nutzer überzeugt und wettbewerbsfähig bleibt. Denn nur dann ist sie auch für langfristig orientierte Investoren ein gutes und zukunftsfähiges Investment. Deshalb ist es wichtig, langfristige und anhaltende Trends genau zu beobachten und zu analysieren, wie sich diese auf die Nutzung von Immobilien in Zukunft auswirken und was das für die Anforderungen an die Lage und die Objektqualität bedeutet.
Was sind denn Ihre zentralen Erkenntnisse für – wie Sie es nennen – „zukunftsfähige“ Büroimmobilien?
Ein wesentlicher Trend ist mit Sicherheit Flexibilität. Wir unterscheiden künftig weniger trennscharf zwischen Büro und Homeoffice: Die Zukunft könnte eher eine Art hybrides Arbeiten sein. Vernetzung und Flexibilität sind daher sehr wichtige Faktoren für das Büro der Zukunft. Hinzu kommt, dass das Büro auch einen gewissen Wohlfühlfaktor aufweisen sollte, damit die Mitarbeiter gerne dorthin fahren – gerade dann, wenn sie die Wahl haben. Das alles setzt natürlich voraus, dass das Geschäftsmodell des Unternehmens Homeoffice überhaupt zulässt. Zudem sind noch viele Fragen offen: Wer übernimmt die Kosten? Wie wird das arbeitsrechtlich geregelt? Kann ich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überhaupt verpflichten, ihre privaten Räumlichkeiten dauerhaft für berufliche Zwecke zur Verfügung zu stellen? Und: Wer hat zu Hause ausreichend Platz, um dauerhaft aus dem Homeoffice zu arbeiten? Viele ungeklärte Themen also, die meine Überzeugung eher unterstützen, dass der Büroarbeitsplatz grundsätzlich erhalten bleiben wird. Aber er muss sich verändern.
In Ihrer Publikationsreihe zum Future Office haben Sie vier Erfolgskriterien definiert: Vernetzung, Flexibilität, Wohlbefinden und Nachhaltigkeit. Das klingt nach hohen Ansprüchen – und entsprechend hohen Investitionskosten. Wirkt sich das aus Investorensicht nicht renditeschmälernd aus?
Natürlich werden bisweilen Investitionen erforderlich. Und Objekte in entsprechenden Lagen sind oftmals auch relativ teuer. Aber aus langfristiger Perspektive rechnet sich das. Denn ist eine Bürofläche auf Dauer nicht mehr attraktiv für eine zahlungsbereite Mieterschaft, werden diese Objekte am Markt auch schwerer zu platzieren sein. Objekte, die gänzlich jede Qualität vermissen lassen, sind schon heute nicht mehr marktgängig und werden es in Zukunft noch viel weniger sein. Diese Prinzipien setzen wir auch bei unserer eigenen Investmentstrategie um: Im Bürosegment investiert Wealthcap direkt in Core- und Core-Plus-Objekte in den größten deutschen Städten und Metropolregionen sowie in den Wachstumsstädten. Für Chancen im Value-Add-Bereich oder in ausländischen Märkten setzen wir auf ausgewählte Zielfondsmanager, um Diversifikation sicherzustellen und von Vor-Ort-Expertise zu profitieren.
Zur Person: Sebastian Zehrer ist Head of Research der Wealthcap Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH.