Wer digitalisieren will, muss Fehltritte in Kauf nehmen

Immobilienunternehmen sind oftmals träge und innovationslos. Um agiler zu werden, muss ihre Akzeptanz von Fehlern zunehmen. Als Vorbild könnte die Start-up-Welt dienen.

'Es gibt die Theorie, dass die Immobilienwirtschaft immer erst innovativ wird, wenn der Gesetzgeber das verlangt', sagt Karsten Körper-Fitzgerald, Managing Director von IC Immobilien, im Gespräch mit Handelsblatt Inside Real Estate. Als jüngste Beispiele nennt er die ESG-Regulierungen oder die PSD2-Schnittstelle, die unter anderem Dienstleistern ermöglichen soll, Zahlungen von Kunden auszulösen, ohne tatsächlichen Zugriff auf ihr Geld zu erhalten, wofür Banken Schnittstellen zur Verfügung stellen müssen. 'Die Verantwortung für die Innovationslosigkeit trägt aber keiner allein - alle Marktteilnehmer sind gemeinschaftlich daran schuld, und zwar in ganz vielen Entscheidungen ihres Alltags.'

Die Gründe für diese Trägheit sieht Körper-Fitzgerald in Größe und Aufteilung der Immobilienbranche: 'Zählen Sie mal durch, wie viele Teilnehmer zur Gesamtdienstleistung einer Immobilie beitragen, wie viele Teildienstleister, Unternehmen und Organisationen mit jeweils eigenen Systemen und Schnittstellen zusammenarbeiten müssen.'

Die Aufträge für die Gebäudebewirtschaftung dauerten oftmals gerade mal drei bis fünf Jahre. 'Bei diesen Mandatslaufzeiten muss man sich fragen, was für eine Spielwiese für Innovationen und kluge, digitale Systeme und Abläufe man überhaupt hat.' Ein anderer Grund sei die heiße Investmentphase, die noch vor Corona geherrscht habe - da habe man nicht an kluger Verwaltung, ESG-konformen Prozessen oder Digitalisierung Geld verdient, weswegen die Themen nie Priorität gehabt hätten. Eine starke Digitalisierung hat Körper-Fitzgerald hingegen in der Buchhaltung festgestellt, was er darauf zurückführt, dass sie einfach digitalisierbar sei und unmittelbare Vorteile mit sich bringe. Aus eigener Erfahrung berichtet er, dass sich der Beruf des Buchhalters in der Immobilienbranche in den vergangenen Jahren deutlich verändert habe. Wo früher lediglich Jahresabschlüsse gemacht worden seien, forderten Kunden mittlerweile regelmäßige Berichte. 'Der Monat ist noch nicht vorbei, da schickt man schon den Monatsabschluss rüber, und beim Kunden findet sofort eine maschinelle Auswertung statt.'

In Papierform würden dabei pro Immobilie drei Ordner anfallen. Ein riesiges Buchungsvolumen, bei dem der Job kaum mehr fehlerfrei möglich sei. 'Ein Fehler in einer teilautomatisierten Welt hat immer ein Muster, das auch andere Buchhalter betreffen kann. Daher prüfen wir genau, an welche Stellschrauben wir müssen, damit das nicht nochmals passiert.' Es zähle der richtige Umgang mit Fehlern, dazuzulernen und immer besser zu werden.

Martin Cichowski, der seit Kurzem Head of Product & Technology bei der Investmentplattform Linus Digital Finance ist, war zuvor bei diversen Start-ups im Finanzbereich wie Smava und Funding Circle in Führungspositionen tätig. Vergleicht er die Immobilien- und Finanzwelt miteinander, fällt ihm nicht nur das jüngere Durchschnittsalter der Akteure bei den Fintechs auf. 'Im Immobilienbereich gibt es viele Old Economies, die aus Tradition gewachsen und sehr gut strukturiert sind, sich bei ihren Prozessen aber festgefahren haben', erklärt er. 'Die Fintechs starten mit der Ambition, eine Technologie aufzusetzen und ein Problem zu lösen und direkt hyperagil das Start-up-Feld mitzubestimmen - und dabei kommen eben manchmal bessere Lösungen raus.'

Cichowski geht es bei der Digitalisierung um Effizienzgewinne der hiesigen Immobilienwirtschaft, die notwendig seien, um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben. Bei ihnen liege auch der Investitionsdruck: 'Deutschland ist der Mittelstandschampion - wir haben viele gut vermögende Mittelständler und ein paar große Unternehmen, von denen jeder in der Lage sein sollte, die Digitalisierung finanziell zu stemmen.'

Mangeln tue es jedoch an der Bereitschaft und Affinität für Neues. Dabei sei die Investition in die Arbeit der Proptechs letztlich eine Investition in die eigenen Produkte, lernten die Proptechs doch auch von Prozessen der Konkurrenz: 'Sie lösen ja Probleme nicht nur für ein, sondern gleich für zehn Unternehmen.' Das sei günstiger, als ein eigenes Team aufzustellen, mit dem man ein eigenes Produkt aufbauen müsse.

Cichowski zufolge hätten Start-ups großen Konzernen zudem eine ganz andere Art von Fehlerkultur voraus: 'Wenn ich etwas Neues probiere, dann ist das natürlich nicht perfekt. Das geht also nur, wenn Leute Fehler machen dürfen. Wenn ein technisches Problem herrscht, dann heißt es aber zumindest, schnell zu intervenieren.' Bei den Start-ups sei das ein ganz natürliches Prinzip: 'Fail, Fail Again, Fail Better. Dass man das testen muss und mit jedem Test besser wird, das ist in der Immobilientradition noch nicht angekommen.'

Der Weg ist klar, so Cichowski: 'Wir müssen mehr Gas geben auf allen Ebenen. Die Politik muss noch mehr ihren Fokus auf Proptechs, Fintechs und so weiter legen - da ist sie schon erste Schritte gegangen, wir brauchen das aber für den internationalen Wettbewerb. Wir brauchen vor allem strukturelle Unterstützung.' Von Lars Frensch

Alle Rechte vorbehalten: (c) Handelsblatt GmbH - Zum Erwerb weitergehender Rechte: nutzungsrechte(at)handelsblattgroup(.)com