Im Blickfeld - Chance Multi-Tenant, Risiko Mixed-Use

Gastbeitrag in der Immobilien & Finanzierung 9/2020 von Markus Reinert FRICS, Vorstandsvorsitzender / CEO, IC Immobilien Holding AG, Frankfurt am Main

Lange wurde über die Möglichkeit eines externen Schocks für die deutsche Wirtschaft diskutiert. Nun ist genau dieses Szenario eingetreten, allerdings in einer völlig unerwarteten Art und Weise – und mit Folgen, die selbst mehrere Monate nach Beginn des Lockdowns in ihrer Tragweite nicht einzuschätzen sind. Es steht jedenfalls fest, dass uns das Thema Corona noch sehr viel länger begleiten wird, als sich viele Marktakteure das wünschen mögen. Das beste Beispiel für die langfristigen Unwägbarkeiten findet sich im traditionell größten Teilsegment auf den deutschen Immobilienmärkten: Während bis vor wenigen Wochen ein enormer Büroflächenmangel und stetig steigende Kauf- und Mietpreise die Debatte geprägt haben, herrscht nun Unklarheit darüber, wie viel Bürofläche Unternehmen tatsächlich mittel- und langfristig benötigen respektive nutzen werden. Perspektivisch dürfte die aggregierte Büroflächennachfrage eher sinken als steigen.

Bedingt durch den nach wie vor bestehenden und eher wachsenden hohen Anlagedruck können viele Investoren nicht einfach die weiteren Entwicklungen abwarten und einstweilen ihr Kapital zurückhalten. Im Gegenteil: Infolge der Verwerfungen an den Aktien- und Anleihenmärkten dürften perspektivisch neben der Vielzahl vorhandener Investoren weitere Investoren einen Markteintritt in die deutschen Immobilienmärkte erwägen und vornehmen. Vor diesem Hintergrund bewährt sich aktuell ein „konservativerer“ Investmentansatz stärker als je zuvor. Die wichtigste Leitlinie besteht darin, nicht zu stark auf kurzweilige Trendthemen zu setzen. Mit anderen Worten: Die klassischen Immobilienkennzahlen und die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit eines Investments sind wichtiger denn je. Themen wie Green Buildings oder digitale Zusatzservices werden hingegen mindestens vorübergehend eher in den Hintergrund rücken.

Das heißt aber keinesfalls, dass es einfacher wird, künftig in Immobilien zu investieren. Vielmehr wird der professionelle Managementaufwand zur Betreuung von Immobilien, auch getrieben durch ergänzende Dienstleistungsaspekte, deutlich zunehmen. Während in den vergangenen zehn Jahren beispielsweise die meisten Single-Tenant-Objekte eine tadellose Performance vorweisen konnten, muss sich dies in Zukunft keinesfalls so fortsetzen. Aus Risikomanagementaspekten erscheint eine Multi-Tenant-Strategie mit flexiblen Vermietungskonzepten weitaus sicherer. Der Gedanke dahinter: Sollten Unternehmen tatsächlich auf mittelfristige bis lange Sicht Teilflächen aufgeben wollen, können sie weiterhin im Bestandsgebäude verbleiben.

Zu beachten ist hierbei jedoch, ein zu hohes Maß an Komplexität zu vermeiden. Während beispielsweise die Diversifikation des Cashflows auf verschiedene Mieter bei gleicher Nutzungsart äußerst sinnvoll sein kann, erhöht die Durchmischung von verschiedenen Nutzungsarten den Sicherheitsfaktor in wenigen Fällen. Immobilien mit Campus-Charakter, also beispielsweise mit Büro-, Freizeit-, Sozial-, Gastronomie- und womöglich Hotel oder Wohnflächen, unterliegen sämtlichen Risiken der einzelnen Nutzungsarten. Und ob die vorgenannte Kombination verbunden mit der strukturellen Verzahnung der vielen Nutzungsarten in fünf oder zehn Jahren noch gefragt sein wird, ist völlig unklar.