Frage an Michael Greis: Weshalb wird das Property Management immer individueller?

Gastbeitrag von Michael Greis, Geschäftsführer der IC Property Management GmbH, in Immobilien & Finanzierung vom 1. November 2021

Tatsächlich erleben wir, dass Standardverträge im Property Management mehr denn je zur Ausnahme geworden sind. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Erwartungshaltungen und die genauen Leistungen. Dies rührt daher, dass die Auftraggeber meistens das Vertragswerk vorgeben, das angesichts der immer komplexeren Aufgaben und der zunehmenden ESG- und Compliance-Regularien inzwischen gut und gerne mehrere hundert Seiten umfassen kann.

Weit entfernt von einem Branchenstandard
Während die grundlegenden Leistungen in Sachen Mieter- oder Objektbetreuung nicht stark voneinander abweichen, sind die Modalitäten aber oft unterschiedlich. Wie oft finden Begehungen statt? Was und wie oft muss reportet werden? All diese Details sorgen dafür, dass wir von einem Branchenstandard weit entfernt sind.

Besonders deutlich wird dies bei den immer zahlreicheren Systemen zur Datenerfassung und zum Reporting. In aller Regel hat der Property Manager ein hauseigenes IT-Tool, muss sich aber darüber hinaus oftmals nach dem jeweils vom Kunden vorgegebene IT-Programm ausrichten. Auch die zugrunde liegenden Softwaresysteme wie zum Beispiel SAP oder Yardi unterscheiden sich in unterschiedlichen Versionen, weshalb auch die Prozesse unterschiedlich ablaufen. Diese Systemhoheit sorgt dafür, dass Property Manager mehrere Plattformen bedienen müssen, weshalb komplett einheitliche Arbeitsprozesse nicht möglich sind.

Immer ausdifferenziertere Investmentstrategien
Angesichts der immer ausdifferenzierteren Investmentstrategien und der Markteintritte in Segmente wie Pflege- und Logistikimmobilien kommen ebenfalls Herausforderungen hinzu. Zwar existiert häufig ein einheitlicher Standard für jeden Mandanten, doch die Anforderungen können von Asset zu Asset oder von Region zu Region leicht variieren. Komplexer wird es jedoch, wenn verschiedene weitere Dienstleister auf unterschiedlichen Teilportfolios zusammenarbeiten und der Property Manager wiederum individuelle Lösungen finden muss.

Gleichzeitig werden eine lückenlose Mieterbetreuung und nicht zuletzt das komplexe Themenfeld ESG immer wichtiger für den Projekterfolg. Daher ist auch eine hohe und vor allem einheitliche Qualität in den Property-Management-Leistungen erforderlich. Um diese zu gewährleisten, sind Property-Management-Gesellschaften in der Regel bestrebt, die internen Prozesse entsprechend aufzusetzen. Am einfachsten ist dies möglich, indem der Property Manager diejenigen Aspekte, die vom Kunden nicht vorgegeben werden, mit seinen eigenen Standards gewissermaßen auffüllt. Anschließend wird das Vorgehen in Form eines kundenbezogenen Praxisleitfadens niedergelegt, sodass auch Vertretungen oder neue Mitarbeiter schnell eingearbeitet werden können.

Bewährt hat sich auch, dass die internen Managementprozesse auf zwei Bereiche aufgegliedert werden: Während die tatsächlichen Kundenbetreuer individuell agieren, laufen verschiedenste Prozesse hinter den Kulissen zentralisiert ab. Auf diese Weise kann der Property Manager intern verschiedene Resultate miteinander vergleichen und das Fachwissen aus einem Praxisbeispiel gewinnbringend für andere Situationen beziehungsweise Immobilien nutzen.

Ein Bereich, bei dem das Property Management jedoch tatsächlich einheitliche Prozesse und Standards etablieren kann, ist das Steuern des Facility Managements. Auf Basis der internen Systeme und Abläufe kann der Property Manager somit sicherstellen, dass die tägliche Bewirtschaftung der Immobilie anhand der gleichen Qualitätsstandards bewertet wird. Vor allem ist dieser Aspekt bei der Umsetzung von ESG-Strategien auf Objektebene wichtig, vom modernen Abfallmanagement über die Verwendung klimafreundlicher Reinigungsmittel bis hin zur plastikfreien Kantine. Somit kann der Property Manager wichtige Stellschrauben dafür bedienen, dass übergeordnete Nachhaltigkeitsziele im Sinne des Pariser Klimaabkommens auch auf jeder einzelnen Fläche umgesetzt werden.

Auch wenn wir im Property Management von einem Branchenstandard weit entfernt sind, nähern wir uns diesem in kleinen Schritten an. Dies würde dem Trend zu mehr Einheitlichkeit und Transparenz entsprechen, wie sie ja auch von mehreren Initiativen innerhalb der Branche vorangetrieben werden – allerdings nur in begrenztem Maße für das Property Management. Dies wäre gerade an gesichts der komplexer werdenden Herausforderungen ein wichtiger Meilenstein.

Mehr Handlungsfreiheit sorgt für größere Effizienz
Zwar haben sich viele Property-Management-Gesellschaften inzwischen flexibel genug aufgestellt, um bei Bestands- wie auch neuen Mandaten im Rahmen der Kundensysteme und festgesetzten Vorgaben agil zu handeln. Letztlich erhält auch der Investor einen potenziellen Zeitvorteil, wenn der Property Manager eigenverantwortlicher handeln kann – und somit die eigene Agilität darauf verwendet, Maßnahmen zur Immobilienund Portfoliostabilisierung sowie -optimierung sofort einzuleiten, anstatt zunächst einen kundeneigenen Standard zu etablieren.